Angel Olsen
Liebe und Kummer haben die Eigenschaft unseren Blick zu schärfen und schmerzhaft Klarheit zu schaffen. Auch wenn wir wissen, dass diese Zustände nur vorübergehend sind, kann die Verletzlichkeit und der Wandel, den sie uns abverlangen, selbst die Stärksten unter uns überwältigen. Dann gibt es die seltenen, fruchtbaren Momente, in denen beides eintritt, in denen Trauer und Verliebtheit sich gegenseitig intensivieren, verkomplizieren und erklären; die Songs auf Angel Olsens neustem Album «Big Time» (VÖ 03.06.2022) sind inmitten eines solchen «Peitschenhiebs» entstanden.
«Big Time» ist ein Album über die Kraft einer neuen Liebe, deren Glanz und Optimismus durch ein tiefes und vielschichtiges Gefühl von Verlust gemildert wird. Während Olsens Prozess, sich mit vergangenen Traumata zu konfrontieren und mit ihrem Queer-Sein zu arrangieren, fühlte sie, dass es an der Zeit war, sich ihren Eltern gegenüber zu outen. Eine Hürde, die sie lange vermieden hatte. «Finally, at the ripe age of 34, I was free to be me», sagt sie. Drei Tage später starb ihr Vater, kurz darauf ihre Mutter. Die Scherben dieser Trauer – die Verkürzung ihrer Chance, endlich richtig von ihren Eltern wahrgenommen zu werden – hat sie auf dem neuen Album verarbeitet.
Drei Wochen nach der Beerdigung ihrer Mutter sass Angel Olsen im Flugzeug nach Los Angeles, um im Topanga Canyon das zärtliche und weise neue Album aufzunehmen. Verlust ist schon seit langem ein Thema in Olsens melancholischen Songs. Nur wenige können Elegien mit einer so rücksichtslosen Energie darstellen wie sie. Sie arbeitet mit der flexiblen, weitreichenden Beherrschung ihrer Stimme – sowohl klanglich als auch künstlerisch. Es sind Lieder, die nicht nur von der Verarbeitung der Trauer handeln, sondern auch davon, Freiheit und Freude in den Entbehrungen zu finden, die sie mit sich bringt.